Stumm und Heftig – Zur Eröffnung der Ausstellung Fundament im Fluss (2015)
Matthias Lechner ist ein Maler. Er malt Bilder. Das Handwerk hat er bei Anton Lehmden gelernt, einem Altmeister österreichischer Malerei.
Matthias Lechner malt mit Ölfarbe und Tempera auf Leinwand und Holz. In früheren Arbeiten ist die Farbe mit breiterem Pinsel pastos aufgetragen worden. Dann wurde die Malweise zunehmend feiner. Die letzten Werke entstehen aus einer Unzahl feiner Striche mit winzigem Pinsel, zeitlich enorm aufwendig, Werke großer Geduld und Konzentration. Die Formate sind klein bis mittelgroß. Bei früheren Bildern hat sich Matthias Lechner vom Verlauf der Arbeit leiten lassen, die Inhalte sind gewissermaßen im Prozess des Malens entstanden. Später wurden die Bilder genau entworfen, die Inhalte werden komplexer, vielschichtig. Vielfach sind deformierte Figuren zu sehen, Landschaften; mehrere Horizonte und perspektivische Konstruktionen tauchen auf.
Die Bilder sind ruhig und wirken zugleich mit Wucht. Hier ist von etwas intensiv die Rede. Der Betrachter erfährt aber nicht, wovon. Diesen Bildern ist ein merkwürdiges Schweigen zu eigen, sie verweigern sich in aller Heftigkeit jeder Werbung oder Propaganda. Kein Aufruf, keine Warnung, kein Protest – aber etwas wie ein stummer Schrei. Etwas selbstvergessen Verzehrtes – wovon?
Immer wieder zerfließen die Gestalten, sind im Übergang von einer Form in eine andere, Metamorphosen sind ein durchgehendes Thema. Die Bilder entstammen der Phantasie des Künstlers, es gibt keine Erzählungen, keine Geschichten, nichts Illustratives und auch nichts Psychologisches. Es wäre falsch, vom bildlich Dargestellten auf Empfindungen, innere Zustände oder Erfahrungen des
Künstlers schließen zu wollen. Diese Bilder sind reine Bilder, stehen aber in der Tradition der europäischen Bildwelt. Das Figürliche, die Landschaft, die Architektur, perspektivische Darstellung – all das enthält viele Verweise auf die Tradition europäischer Malerei. Deutlich sind Bezüge zur Kunst der Renaissance und des Manierismus, aber auch zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Wichtig ist es zu
erkennen, dass Berge und andere Gebilde nicht naturalistisch wiedergegeben sind, sondern ihre Gestaltung einem eigenen Gesetz gehorcht. Die Qualität dieser Bildkunst zeigt sich auch darin, dass scheinbar Natürliches aus allgemeinen Formen entwickelt wird.
Etwas Unheimliches, Bedrohliches durchzieht die Bilder. Die Formen wirken, als würden sie von unsichtbaren Mächten angegriffen. Andererseits schaffen die strenge Formgebung, die bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Gebilde dieser Welt etwas Ungewöhnliches: Alles hat hier seinen Platz, Bedrohung und Auflösung sind gebannt. Insofern geht eine große Ruhe aus von diesen Bildern. Sie vergegenwärtigen eine Welt voller Spannung und Gefährdung, die jedoch nicht aus den Fugen gerät.
Es sind Bilder von Gewissheit jenseits äußerer Sicherheiten. Wie geschaffen für die Gegenwart.
Gustav Schörghofer